TEILPROJEKTE

Das Verbundprojekt "Seelenarbeit im Sozialismus - SiSaP" versteht sich als interdisziplinäres Forschungsprojekt. Ziel soll es sein, die Rolle der Psychologie, Psychotherapie und Psychiatrie in der DDR systematisch zu untersuchen, aufeinander zu beziehen und im Kontext einer Rekonstruktion des DDR-Gesundheitswesen zu bewerten.
Zentral ist neben der Interdisziplinarität und des multi-methodischen Vorgehens der Ansatz, verschiedene Ebenen zu verbinden, nämlich zum einen die „offiziellen“ Darstellungen der Gebiete in den einschlägigen wissenschaftlichen Schriften, die über ausführliche Interviews erhobenen Bewertungen von unterschiedlichen Gruppen an Zeitzeug*innen, die Analyse vorhandener Akten und eine auf der Basis der Arbeit im Verbund weiter entwickelte aktuelle Repräsentativerhebung zu den Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem und psychologischen Merkmalen.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte die einzelnen Teilprojekte dabei verfolgen, können Sie im Folgenden erfahren.

Die Koordination des Verbundprojektes liegt beim Jenaer Institut für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie. Ziel ist es die Teilprojekte zu koordinieren aber auch unterstützende Maßnahmen für die Teilprojekte sicher zu stellen (d.h. Zuarbeit von methodischen und theoretischen Informationen oder Methodenschulung). Weiterhin sorgen die Mitarbeitenden des Standorts Jena dafür die Kommunikation im Verbund zu gewährleisten, Teilergebnisse zu integrieren und damit die Ergebnissicherung des Verbundes sicher zu stellen. Wesentlich sind die kontinuierliche Zusammenführung der Ergebnisse aus den Teilprojekten und deren theoretische Einordnung. Eine weitere wichtige Aufgabe wird sein, sowohl innerhalb des BMBF-Verbundes als auch außerhalb mit anderen Instituten Kooperationen zu bahnen und zu verstetigen. Ziel soll es sein, übergeordnete Strukturen für die zukünftige Forschung zu psychosozialen Themen in Verbindung mit dem SED-Staat zu sichern.

Die Psychotherapie in der DDR stellte einen spezifischen Teil des staatlichen Fürsorgesystems dar und spiegelte damit die Ambivalenz zwischen Heilangeboten und Bevormundung wider. Zum Ende der DDR gab es mehr als 40 stationäre Psychotherapieeinrichtungen und eine geschlossene Behandlungskette für psychisch Kranke. Insgesamt waren etwa 2.000 klinische Psychotherapeut*innen tätig. Alles in allem gab es am Ende der DDR etwa 4.000 medizinische und psychologische Psychotherapeut*innen. Für die Ausbildung standen unterschiedliche und kostenlose Angebote zur Verfügung, die parallel erlernt werden konnten. Möglicherweise waren diese Ausbildungen insbesondere in den 80ern auch Teil des emanzipatorischen Potentials, das zur Revolution von 1989 führte. Die Ausbildenden arbeiteten in unterschiedlichen Einrichtungen, so dass sich über die Ausbildungsangebote informelle Netzwerkstrukturen entwickeln konnten. Nach der Wende gab es Bemühungen die Psychotherapie in der DDR aufzuarbeiten, die von kritischen bis zu idealisierenden Darstellungen reichen.

Im Teilprojekt „Die ambivalente Rolle der Psychotherapie“, am Jenaer Institut für Psychosoziale Medizin, Psychotherapie und Psychoonkologie, soll diesem Spannungsverhältnis zwischen Anpassung und Widerstand nachgegangen werden und mit Hilfe der verschiedenen methodischen Zugänge von Archivrecherchen, Literaturanalysen, Interviews mit Zeitzeug*innen (ehemaligen Psychotherapeut*innen und Patient*innen) sowie einer Repräsentativbefragung auf unterschiedlichen Ebenen für den Zeitraum von 1945 bis 1990 analysiert werden.

Hier gelangen Sie zum Team des Teilprojektes „Die ambivalente Rolle der Psychotherapie“.

Eine Untersuchung zur strukturellen Verankerung und dem gesellschaftlichen Stellenwert psychiatrischer Versorgung.

Auch 30 Jahre nach der so genannten politischen Wende sind viele Fragen zur Rolle der Psychiatrie in der DDR noch immer unbeantwortet. Eine Systematik grundlegender Strukturen fehlt weitgehend.

Dementsprechend zielt das Teilprojekt „Psychiatrie in der DDR zwischen Hilfe, Verwahrung und Missbrauch?“ auf die wissenschaftliche Aufarbeitung der für die Psychiatrie relevanten Strukturen innerhalb des DDR-Gesundheitswesens im Zeitraum von 1945 bis 1990. Innerhalb dieser Strukturen und Körperschaften sollen Abläufe, gesetzliche Rahmenbedingungen, Akteure und deren Interaktionen vor dem Hintergrund politisch-ideologischer und fachlicher Diskurse und Vorgaben untersucht werden. Durch Netzwerkanalysen wird es möglich sein, Beziehungsstrukturen zu analysieren und den Einfluss sowohl Einzelner als auch der von Gruppen innerhalb der Psychiatrie sowie außerhalb auf politisch-administrativer Ebene zu überprüfen. Dadurch sollen Handlungsspielräume herausgearbeitet und die für die Durchsetzung der Gesundheits- und Wissenschaftspolitik verantwortlichen SED- sowie institutionellen Leitungs- und Machtstrukturen aufgezeigt werden. Anhand qualitativer Interviews mit Zeitzeug*innen, die in irgendeiner Form zwischen 1945 und 1989 mit der Psychiatrie in der DDR konfrontiert waren sowie mittels einer Repräsentativbefragung in den neuen und alten Bundesländern bezüglich lebensgeschichtlicher Erfahrungen in und mit der DDR, soll dieses Ziel begleitend unterstützt werden.

Zudem sollen veröffentlichte Fachpublikationen systematisiert, inhaltlich analysiert und durch einen kritischen Abgleich mit „den Alltagserfahrungen“ geprüft werden, inwieweit diese Ausdruck der jeweiligen Forschung und Praxis waren. Dabei wird das Hauptaugenmerk auf der interviewbezogenen Arbeit mit Zeitzeug*innen (ehemaligen Akteuren und Patient*innen) und auf gezielten Archivstudien liegen. Neben der Ausrichtung auf die Patientenperspektive gilt es, Verflechtungen von Verantwortlichen mit dem Ministerium für Staatssicherheit zu identifizieren. Das Teilprojekt „Psychiatrie in der DDR zwischen Hilfe, Verwahrung und Missbrauch?“ ist angesiedelt an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Greifswald sowie am Arbeitsbereich Geschichte der Medizin der Universitätsmedizin Rostock.

Hier gelangen Sie zum Team des Teilprojektes „DDR zwischen Hilfe, Verwahrung und Missbrauch?“.

Beim Verbundforschungsprojekt sollen die Rolle, die Instrumentalisierungs- und die Verwertungskontexte psychologischer, psychotherapeutischer und psychiatrischer Art wissenschaftlich untersucht werden. In diesem Zusammenhang rücken mögliche Verletzungen von Menschen- oder Persönlichkeitsrechten besonders in den Vordergrund. Die Psychologie im wiedervereinigten Deutschland untersteht berufsethischen Richtlinien. Somit besteht die berufsethische Pflicht, die mögliche Instrumentalisierung psychologischen Fachwissens im Dienste einer repressiven Politik zu erforschen. Vor diesem Hintergrund werden im Teilprojekt „Psychologie unter politischem Diktat und Justiz“ an der FH Dortmund folgende Forschungsbereiche untersucht:

  • Psychologie in der Lehre an Hoch- und Fachschulen der DDR: Lehrinhalte und Bibliografien im Überblick mit Berücksichtigung ihrer russischen bzw. sowjetischen Provenienzen und Verknüpfungen zu Nachbardisziplinen wie Kriminalistik u. a.
     
  • Psychologie in der DDR als fachliche Trias und Interessensfeld staatlicher Stellen (Ministerium des Innern, Ministerium für Gesundheit, Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen, „Ministerium für Staatssicherheit“ u. a.)
  • Verwertungen psychologischer Ansätze und Konzepte durch das „Ministerium für Staatssicherheit“: die sogenannte ‚Operative Psychologie‘ und ihre psychodynamischen Folgen 

Der gegenwärtige Fokus liegt auf dem empirischen Forschungsprozess. In großem Umfang soll Archivmaterial recherchiert und gesichtet werden, das mögliche Auskunft über die Rezeption der Psychologie bzw. Einflussnahme auf die Psychologie durch Politik und Justiz bzw. über Anwendungen psychologischer Methoden im politisch- juristischen Kontext gibt. Das Zusammentragen einschlägiger Literatur und Archivalien in Übersichten dient im eigenen Teilprojekt zur Generierung von Hypothesen, zur Abgrenzung der akademischen Psychologie von politischem Diktat und Justizmaßnahmen sowie auch zur Aufdeckung von Querverbindungen zu anderen Disziplinen (z. B. Kriminalistik) und innerhalb behördlicher Kontexte.

Wichtige Ressourcen für die umfassende Untersuchung stellen Bestände in Bundes-, Universitäts-, Landes- und Staatsarchiven dar, ggfs. auch in Facharchiven zur Psychologie-Geschichte. Zu nennen sind hier vorrangig das Bundesarchiv Berlin, die Universitätsarchive in Berlin, Jena, Leipzig und Rostock sowie das Archiv der Bundeszentrale für politische Bildung. Auch die Bestände politischer bzw. parteinaher Stiftungen sollen miteinbezogen werden.

Zu den ausgewerteten Materialien, ihren Inhalten und Provenienzen sollen Datenbanken entstehen. Konkrete Ergebnisse sollen in Form von Fachpublikationen, Medienberichten und Informationsbroschüren präsentiert werden. Darüber hinaus sollen einschlägige Dissertationen einer breiteren Öffentlichkeit nähergebracht werden. Um fundierte Antworten zu liefern, sollen auch Zeitzeug*innen zu Wort kommen, so etwa ehemalige Studierende und Lehrende der Psychologie als auch ehemalige Funktions- und Amtsinhaber*innen in Behörden oder Institutionen der ehemaligen DDR. Befragt werden sollen auch Betroffene, gegen die psychologische Konzepte repressiv angewendet wurden und die infolgedessen an psychischen Traumata leiden.

Hier gelangen Sie zum Team des Teilprojektes „Psychologie unter politischem Diktat und Justiz“.

Ziel des Teilprojekts ist die Aufarbeitung der für die drei Bereiche Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie (PPP) relevanten Strukturen des DDR-Gesundheits- und Forschungswesens.

In einer Gesamtdarstellung werden die übergeordneten Strukturen der drei Fächer im staatlichen Kontext für den Zeitraum 1945 bis 1990 unter Berücksichtigung sowohl klinischer als auch wissenschaftlich-universitärer Instanzen beschrieben. Anhand umfangreicher Archiv- und Literaturrecherche werden die Implikationen für die drei Fächer im Zeitverlauf herausgearbeitet und die für die Durchsetzung der Gesundheits- und Wissenschaftspolitik verantwortlichen SED- und institutionellen Leitungs- und Machtstrukturen aufgezeigt. 

Beschrieben werden dabei die strukturellen und personellen Verflechtungen zwischen Partei, Staatsorganen, der Staatssicherheit sowie den fachlichen Ebenen. Zusätzlich sollen diesbezüglich übergeordnete Wechselbeziehungen mit nationalen und internationalen Fachgremien und verschiedenen PPP-Sonderbereichen im Kontext des Gesundheitswesens untersucht werden.

Dazu werden die entsprechenden Bestände innerhalb der staatlichen und Facharchive geprüft und sukzessive analysiert. Beispielhaft werden dabei auch top-down-Mechanismen über die Bezirks- und Kreisebene untersucht. Ergänzt wird das durch Recherchen in entsprechenden Geheimdienstunterlagen sowie in ausgewählten ausländischen Archiven.

Die Ergebnisse werden den anderen Teilprojektpartnern kontinuierlich zur Verfügung gestellt und miteinander abgeglichen sowie letztlich im Gesamtkontext dargestellt, kritisch bewertet und veröffentlicht.

Das Teilprojekt soll damit auch zu einem wesentlichen Verständnis der DDR-Gesundheitspolitik beitragen. Innerhalb der Aufarbeitung fehlt bislang eine derartige Auseinandersetzung. Auch sind 30 Jahre nach dem Ende der DDR Aktenbestände noch immer unbearbeitet. Das Teilprojekt will hier eine Lücke schließen.

Hier gelangen Sie zum Team des Teilprojektes „Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie im Gesundheitssystem der DDR“.